Jahreskonzert am 23.04.2016
Artikel aus der Winnender Zeitung vom 25.04.2016
Virtuos sich verströmende Romantik
Elegant von Schubert via Broadway zum König der Löwen / Gefeierte Aufführung des Konzertorchesters Winnenden
Winnenden. Den sich wehmütig verströmenden Romantikern Schubert und Chopin widmete das famose Konzertorchester unter der Leitung von Ralf Göltenbodt den ersten Teil eines reichen Musikabends, der nach der Pause mit einem filigranen Touch von Folklore und Musical erweitert wurde. Besonders feierte das Publikum den mit beeindruckend quecksilbriger Virtuosität aufspielenden Pianisten Jochen Ferber.
Ein dramatischer Auftakt mit Paukenschlag, dann düstere Streicher und Bläser die zu einem wehenden Motiv finden, um alsbald in einen seltsam hinkenden Dreiviertel-Takt zu fallen. Musikalische Romantik pur in Franz Schuberts „Ouverture im italienischen Stil D-Dur“ (um 1817), die vom Konzertorchester Winnenden mit geradezu fein-nervöser Einfühlsamkeit erkundet wurde.
Manisch-depressive Gefühlsumschwünge in dem kurzen zweisätzigen Werk, das mit dem Allegro giusto fast übermütig wird und in einem wiegenden Flötensolo eine typisch romantische Wanderseligkeit suggeriert: wie ein Pfeifen im unheimlichen Walde voller Doppelbödigkeiten. Scherzend, lockend, kokett – am Ende der Wanderung aber finden die Romantiker nicht nach Hause, sondern den frühen Tod, wie der gerade mal 31 Jahre alt gewordene Schubert selbst.
Nur wenige Jahre älter wurde auch Frederic Chopin (1810-1849), dessen 1830 entstandenes Konzert in e-Moll für Klavier und Orchester (op. 11) geradezu ein bestürzend schönes Dokument einer sich selbst verströmenden Romantik ist – und an diesem Abend in der gut besuchten Hermann-Schwab-Halle von Jochen Ferber mit stellenweise quecksilbrig fiebernder Virtuosität interpretiert, ja zelebriert wurde.
Mit scheinbar ungebundener Kühnheit behauptet der Solist seine formensprengende Meisterschaft. Da ist ein solistisches Aufbäumen wider alle Zwänge zu hören, der Künstler beschwört die gesellschaftlichen Abgründe stellvertretend für das gebannt hingerissene Publikum, verspricht, dass er selbst die Skala der Trieb-Tonleitern beherrscht – und nicht sie ihn. Ein perlend sausender Notentanz wird hier vollführt, auf, wie wir wissen, sehr dünnem Eis. Aber auch das ist mitzuhören!
Grandios! Ohne eine solistische Zugabe ließ das begeisterte Publikum Jochen Ferber nicht von der Bühne.
Nach dieser romantischen Wucht wechselte das Konzertorchester ins leichtere Genre, ohne indes aber Abstriche bei der Eleganz ihres fein erarbeiteten Ensemble-Klangbildes zu machen. Ganz im Gegenteil. Bei Brahms „Ungarischen Tänzen“ teilte das Orchester den solidarischen Humor des Komponisten für derbere Volkstraditionen. Mit humorvoller Lust an einer heiteren Patschigkeit meinte man stellenweise gar, den Holzboden einer Dorfschenke bei den ausgelassenen Tanzvergnügen der gemeinen Leute mitschwingen zu hören!
Und mit dem „Salute to Rogers and Hammerstein“ verwandelte sich das Orchester gar in eine swingende Broadway-Big-Band, die mit delikat arrangierten Klangtupfern zu entzücken wusste. Ein bisschen zivilisierte Folklore auch hier, wenn aus dem Musical „Oklahoma“ das Pferdegetrappel des Wilden Westens akustisch veredelt in eine Music Hall transferiert wird.
Da durfte es auch mal satt sentimental werden mit der „Titanic Fantasy“. Großes Gefühlskino mit traurigen Trompetensoli und richtig schmalztriefenden Streicher- nein Streichel-Einheiten. Ähnlich wie bei den Romantikern zuvor: Auch hier herrschte ein lockender Kult des Untergangs (der Titanic). Aber keine Panik. Mit tollem Gefühl für Pop schlenderte das Konzertorchester durch die Fährnisse des afrikanischen Dschungels im Elton-John-Musical „Der König der Löwen“.
Jubel und langer Beifall nach einem höchst unterhaltsamen zweistündigen Konzert.